Freitag, 4. Februar 2011

Paketdienst

Mike, mein Nachbar, Sie erinnern sich, ist seit kurzem in den Vorruhestand eingetreten.
Seine Pläne zum Zeitvertreib schienen nach der ersten Woche bereits an Spannkraft verloren zu haben, so dass man ihn eher missmutig, als freudig sein neues Rentnerdasein frönen sah. Häufig stand er vor seiner Garage und sprach jeden an. Er versuchte selbst mit mir eine Art Gespräch aufzubauen, was aber leider an meiner rotzigen Art und meinen gesteigerten Vorurteilen ihm gegenüber immer wieder kläglich scheiterte. Mit traurigen Augen, so dass es mich schon rührte, zog er meist ab.
Irgendwann nahm er dann ein Paket für mich an.
Antons Schneeanzug, der leider mittlerweile zu klein ist, aber das nur am Rande.
Missmutig schellte ich an und setzte mein schönstes unechtes Lächeln auf. Freudestrahlend, eines menschlichen Wesens bewusstwerdend, öffnete er die Türe. Geschlagene 20 Minuten hörte ich ihm zu. Er erzählte mir so viele Dinge, die ich niemals wissen wollte.
So, und jetzt hat Mike den Zustelldienst für sich entdeckt!
Da seine Freundin, die im übrigen ausgesprochen nett ist, noch arbeitet und zwei erwachsene Kinder hat, die gerade flügge werden, der Sohn zieht in seine erste eigene Wohnung, weiß ich alles von Mike, fragen Sie nicht warum, gedenkt er jetzt ein Familienmensch zu werden und sich um die zwei Kinder zu sorgen. Das heißt im Klartext, Mike ist zu deren Paketannahmestelle mutiert! Der Sohn scheint sich hauptsächlich mit Bauer einzurichten. Woher ich das weiß! Die Pakete stehen bei uns im Flur und warten auf Mike!
Vor ein paar Tagen schellte es zum ersten Mal.
„ Hallo, bei der 24 hängt ein Zettel, ich soll bei der 26 schellen und da das Paket abgeben. Bitte!“
„ Ja, wenn dort ein Zettel hängt...“
Schwupps standen die beiden Pearlpakete bei uns im Flur.
Etwas später
„ Hallo, ich hätte ein Paket, bei der 26 hängt ein Zettel, ich soll bei der 24 schellen und da das Paket abgeben.“
„ Ja, bitte..“
Das erste Bauerpaket enterte unseren Flur.
Verwundert betrachtete ich die Ausbeute. Leider, leider gehört es sich nicht fremde Post zu öffnen, auch wenn es Pakete sind, aber ich kann es Ihnen ja sagen, mich hat es gehörig in den Fingern gejuckt. Egal.
Abends schellte es und Mike stand vor der Türe. Er lächelte schonungslos sein zahnpastafreies Lächeln. Dabei entblößt er Kronen, die aussehen als ob sie gleich ein Eigenleben entwickeln und zuschnappen. Gruselig!
Lang und breit erzählte er von seinem heutigen Ausflug und für wen denn die Pakete wären. Und der Zettel, der wäre ja aus der Not entstanden, er hatte da gedacht, dass ich da wäre. Ist klar!
Heute schellte es wieder.
Da ich Anton auf dem Arm trug öffnete ich nur das Türkläppchen. Dieses mal kam ein Paket für mich an! Dass der Bote zu mir sagte, : „ Brauchst Du Hilfe Kleines?!“,
ignorierte ich geflissentlich.
Nach fünf Minuten schellte es wieder.
„ Hallo, bei der 26 ist niemand zu Hause, können Sie das annehmen?“
„ Ja, klar!“
So, und jetzt stehen hier zwei große schwere Bauerpaket im Flur und warten auf Abholung von Mike. Bestimmt kommt Morgen noch der neue Wohnzimmerschrank an. Vielleicht sollte ich schon mal die Garage leer räumen, denn der Flur ist voll.

6 Kommentare:

Svenja-and-the-City hat gesagt…

Als ich meinen eBay Bestellwahn hatte, musste meine Nachbarin für mich fast jeden Tag ein, bis zwei Pakete annehmen. Wie schön, dass sie es getan hat.
Wenn ich aber mal ein Paket für jemand anderen im Flur stehen habe, dann brennt es mir fast ein Loch in den Teppich, bis ich es endlich los bin.
Oh, ich kann dich gut verstehen.
LG, Svenja

WalterLenz hat gesagt…

Köstlich. Es geht doch nichts über gute Nachbarschaft.

Nina hat gesagt…

@Sevenja
ist ja kein problem pakete anzuznehmen, doch ergeht echt nur ganz sparsam dosiert.
der gute hat mit einen ganzen nachmittag auf mein gesäß gestarrt, als ich im garten gearbeitet habe. ich hatte nix an, wo es sich gelohnt hätte.
@WalterLenz
Herzlich Willkommen!

WalterLenz hat gesagt…

Nun lese ich ja schon etwas länger in diesem Logbuch und obwohl mich die teilweise privaten Geschichten nichts angehen, finde ich sie köstlich und unkonventionell geschrieben. Mit dem Kommentar wollte ich danke sagen und nicht anonymer Zuschauer sein. :o

Janeela hat gesagt…

und reicht man ihnen den kleinen Finger... reißen sie gleich die ganze Hand ab! So ist das mit manch lieben Mitmenschen. Um so schöner, daß es noch hilfsbereite Mitmenschen gibt.
Hoffen wir, daß Sohnemann bald komplett eingerichtet ist. (-: Ich drück' die Daumen.

Nina hat gesagt…

@Walter Lenz
Danke schön! Ich bin ganz gerührt von so viel Lob!Schön das es Ihnen gefällt.
Bleiben Sie ruhig etwas hier :)
@Janeela
Am Sonntag war der Umzug! JUBEL!
Nach Mike sind gar Pakete doppelt geliefert worden.