Dienstag, 15. Juni 2010

Baumarbeiten

Seit 8.00 Uhr heute morgen wird im Nachbargarten gewerkelt.
Auf dem Rasen steht ein alter Pflaumenbaum, der seit Jahren schon morsch und marode ist. Je nach Sturmstärke verlor er mal mehr mal weniger von seinen Ästen, wachsam beäugt von Katherina und Johannes. Ganz speziell Johannes hat sich als Nachbarschaftsretter auserkoren. Ständig weist er darauf hin, dass der Baum eine Gefahr darstellt und eigentlich schon tot ist. Das tot stimmt aber nicht, denn im Herbst trägt er so viele Früchte, dass sich seine alten Äste biegen.
Nach dem letzten starken Wind brach ein dicker Ast ab und der Stamm weist eine riesige Narbe auf.
Heute Morgen rückten dann Klaus und Hans an. Beide Mitte Ende vierzig, dünn, schnittige Kurzhaarfrisur und die ungesunde gelblich graue Raucherhaut.
Hans kletterte mutig auf den morschen Ast und wickelte das Seil um ihn. Dann zückte er die Laubsäge und begann mit lahmem Arm, unter Zurufen von Klaus, zu sägen.
Nach 5 Minuten wurde eine Pause eingelegt. Hans immer noch auf dem Ast und Klaus mit dem gespannten Seil am Boden.
Das Bodenpersonal war der Meinung das das so mal nicht funktionieren würde.
Hans betrachtete ausgedehnt die Säge und gelangte zu der gleichen Überzeugung.
„ Ja, die ist ja auch bestimmt schon fünfzig Jahre alt, hält aber immer noch!“
Doch kampflos vom Ast absteigen, dass wollte er auch nicht. Er begann zu sägen, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Dann kletterte er behände wie eine achtzigjährige Bergziege vom Baum und Klaus durfte ziehen. Und ziehen und ziehen... , bis der Ast endlich abbrach.
Jetzt war es aber mal an der Zeit für eine Zigarettenpause.
Beide diskutierten freudig über die Vorteile einer Kettensäge und ob sie jetzt nicht, da der morsche Ast ab ist, jetzt ihre Mission erfüllt hätten.
Plötzlich eine harsche Männerstimme aus dem anderen benachbarten Garten. Unser cholerischer Nachbar, der Freund von Johannes hatte fertig gefrühstückt und mischte sich jetzt fröhlich in die Baumsanierung ein.
„ Ihr wollt den Baum doch so nicht sehen lassen! Der ist 70ig Jahre alt, macht den weg, die Pflaumen fallen immer in mein Beet und auf den Rasen und es stinkt!“
Der Nachbargarten besitzt übrigens mit der Nagelschere getrimmte Rasenkanten, nur so als Info.
„ Wenn ihr den nicht fällt, dann schlage ich da einen Kupfernagel rein, dann ist er auch weg!“
Hans und Klaus, in ihrer Pause aufgeschreckt, konnten mit soviel unbeherrschtem Unmut nicht umgehen. Außerdem sie sahen ihren Feierabend sicher schon gefährdet.
„ Wir können nur das machen, was uns gesagt wurde. Der Baum sollte nicht gefällt werden!“
Der cholerische Nachbar legte noch mal lautstark nach, so dass beide Jungs ehrfürchtig am Gartenzaun standen und den Pflaumenbaum-Hasstiarden lauschten. Hans verließ als erster das Schlachtfeld.
Der cholerische Nachbar stampfte schnaubend von dannen und jetzt war meine Zeit gekommen.
Freundlich lächelnd stellte ich mich an den Gartenzaun. Klaus sah mich und kam auf mich zu, die Augen immer noch vor lauter Schreck weit aufgerissen.
„ Mensch, der schöne alte Baum, der braucht nur ein bisschen Pflege, wäre doch schade, wenn er gefällt würde. Jedes Jahr trägt er noch so viele Früchte. Können Sie ihn nicht zurückschneiden, so dass er wieder austreiben kann?“
Klaus, ganz Gentleman, : „ Ja, wäre ja schade. Ich geh mal gucken was ich machen kann.“
Klaus verschwand, kam nach 5 Minuten mit Hans und der Kettensäge zurück und versicherte mir, dass der Baum nur zurückgeschnitten wird.
Ich lächelte wieder ganz entzücken und verließ dann grinsend den Gartenzaun.
Diese elenden alten Spießer hier! Soll er doch in seinem Wohnzimmer ein Plastikparadies bauen!
Der Baum ist jetzt so weit zurückgeschnitten, dass er niemanden mehr gefährdet.
Und er kann noch austreiben und neue Pflaumen tragen, die er gerne in sämtliche Nachbargärten verteilen darf!

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